Einige Eindrücke von Uwe vom Herbstratschlag 2023 in Hannover (27. - 29. Oktober 2023)
Das positivste zuerst:
Im Verhältnis zu meinen vergangenen Erfahrungen mit Attac auf Bundesebene hat sich diesmal der Umgang miteinander deutlich verbessert. Es wurden nicht Anträge allein deshalb abgelehnt, weil sie von bestimmten Personen kamen. Ein Änderungsvorschlag von mir wurde auf dem Ratschlag übernommen, nachdem ich vorher mehrmals ohne Antwort nachgefragt hatte und zwischenzeitlich sogar behauptet wurde, mein Antrag wäre nicht fristgerecht eingegangen. Meine Versuche, eine Konsenslösung zur Quotierung von Mitgliedsorganisationen und bundesweiten Arbeitszusammenhängen bei ihrer Wahl zu finden, wurden auch von anderen Personen unterstützt und angenommen. Obwohl ich bei vielen Fragen eine Minderheitenposition vertreten habe, konnte ich die Arbeit der PG Struktur vorstellen. Bei der Diskussion der Vorschläge wurden diese im Regelfall von den Antragstellenden vorgestellt, es gab eine Gegen- und meist auch eine Für-Rede. Bei den besonders kontroversen Vorschlägen war auch eine längere offene Diskussion möglich. Dabei wurde am Thema geblieben. Es kam nach meiner Erinnerung nicht vor, dass über Geschäftsordnungsanträge versucht wurde, Personen nicht reden zu lassen. Umgekehrt uferten auch die Diskussionen nicht aus. Das habe ich in der Vergangenheit auch ganz anders erlebt. Auch mein Vorschlag, genug Zeit für die Haushaltsberatung einzuplanen und diese vorzuziehen, wurde angenommen. Als bei der Diskussion über das Erneuerungspapier (Übersicht über den Verlauf des Prozesses) vielen Anwesenden unklar war, worüber abgestimmt wurde, habe ich nach Nachfrage und kurzer Diskussion die Erlaubnis bekommen, den entsprechenden Text vorzulesen. Bei der Vorstellung der bundesweiten Arbeitszusammenhängen hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit einer Person aus dem Awareness-Team, mit der ich häufig inhaltliche Differenzen habe. Wir haben gemeinsam festgestellt, dass der Umgang miteinander deutlich besser geworden ist und wir besser in der Lage sind, mit unseren Unterschieden wertschätzend umzugehen. Allerdings stellten wir auch fest, dass es sicher noch weiteren Gesprächsbedarf gibt.
Das war auch bei den letzten Diskussionen am 29. Oktober 2023 zu sehen. Es betraf zwar nicht mich, aber andere Personen. Das führte bei diesen zu Verletzungen, so dass diese überlegten, ganz aufzugeben.
Einerseits betraf das die Diskussion über den Vorschlag "V4_Ukraine: 18 Monate Krieg – Frieden jetzt! Diplomatie statt Eskalation!". Er wurde u.a. abgelehnt, weil dort gefordert wurde:
"Für einen sofortigen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine"
Es wurde aber nicht einmal versucht, durch Änderungsanträge eine Formulierung zu finden, die für alle akzeptabel ist. Dort hatte ich wirklich den Eindruck, dass er abgelehnt wurde, weil er von der BAG Globalisierung und Krieg kam und weil bei der Bewertung von Krieg und Frieden es grundsätzliche Meinungsunterschiede in Attac gibt. Eine Person meinte sogar, die BAG Globalisierung und Krieg solle sich überlegen, Attac zu verlassen, ohne dass es einen Widerspruch dagegen gab. Dort merkte ich keinerlei Versuch von denjenigen, die Waffenlieferungen an die Ukraine befürworten, einen Konsens zu finden. Hinterher merkte ich, dass dies in einem größeren Kontext steht:
Im Protokoll des KoKreis-Treffens vom 20.11.2023 steht:
"Soll die Attac-Mitarbeit im Ukraine-Bündnis pausieren, wenn die anderen Bündnispartner*innen darauf bestehen, sich contra Waffenlieferungen festzulegen? beschlossen".
Daraufhin wurde am 22.11.2023 über die Gruppen-Nachrichten-Liste mitgeteilt, dass Attac die Mitarbeit im Bündnis "Stoppt das Töten in der Ukraine" aussetzt, weil sich nach langer Diskussion dieses Bündnis für einen Stopp aller Waffenlieferungen ausgesprochen hat. Zur Erläuterung:
Ich arbeite in verschiedenen Gruppen mit, in denen Positionen vertreten werden, die meinen Positionen entgegenstehen. Hier wird aber eine Position, die nur kein Konsens in der eigenen Gruppe ist, als Anlass genommen, die Mitarbeit im Bündnis auszusetzen. Wenn eine Gruppe zu einer Position keine einheitliche Meinung hat, ist das für mich kein Grund, in einem Bündnis nicht mehr mitzuarbeiten, die zu dieser Position eine Meinung hat. Nur, wenn mit dieser Position überhaupt nicht gelebt werden kann, wäre das mich für ein Grund, die Mitarbeit im Bündnis auszusetzen.
Solche Beschlüsse führten dazu, dass mein Versuch, Personen, die gegen Waffenlieferungen sind, zu einer Mitarbeit auch auf Bundesebene zu motivieren, gescheitert ist.
Ich würde mir wünschen, dass Personen, die gegen Waffenlieferungen sind, nicht nur, wie bisher, in ihrer Regionalgruppe bzw. BAG gute Arbeit leisten können, sondern sich auch mit Attac auf Bundesebene identifizieren können und dort ihre Position vertreten können und dies wertschätzend akzeptiert wird.
Andererseits betraf das die Überraschungsdiskussion zum Thema Israel / Palästina / Gaza. Meist erfolgte sie wertschätzend. Allerdings bemerkte ich, dass einige, die eher auf Seiten Israels stehen, andere Positionen nicht verstanden haben. Da gibt es noch Gesprächsbedarf. Was noch gravierender war:
"Sand im Getriebe" veröffentlichte verschiedene Stellungnahmen zu dem Konflikt. Es wurde abgelehnt, dass in einer Stellungnahme auch Aussagen drin standen, die von denjenigen, die eher auf Seiten Israels stehen, als unmöglich betrachtet wurden. Diese Person sagte zudem, dass es sich wieder bestätigt hatte, dass es gut war, dass sämtliche Verbindungen zwischen Attac und "Sand im Getriebe" gelöst wurden. Dabei ging es hier nicht um eine Stellungnahme von "Sand im Getriebe", sondern einfach um eine Darstellung der kontroversen Diskussion. Worum es in der abgelehnten Aussage genau ging, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, ich würde sie nicht teilen. Aber ich teile ebensowenig Analogien zwischen Holocaust und dem Vorgehen der Hamas. Aber Personen, die eher auf Seiten Israels stehen, haben mit solchen Holocaust-Verharmlosungen offensichtlich weniger Probleme. Und wenn das dazu führt, dass das Vorgehen Israels weniger kritisiert werden darf als das Vorgehen der Hamas und wenn auch nur das Zitieren von Stellungnahmen, die das anders sehen, zu einer Verurteilung führen, sehe ich da ein Problem.
Es gibt somit noch deutlichen Verbesserungsbedarf beim Umgang miteinander.
Aber es gab auch weniger gravierende Probleme, wo es noch Verbesserungsbedarf gibt. Damit meinte ich nicht, dass die meisten meiner Anträge abgelehnt wurden (Protokoll, S. 8 - 10), teilweise mit nur wenigen Für-Stimmen, und mir so deutlich gemacht wurde, dass ich häufig eine Minderheitenposition vertrete. Interessanter waren die Begründungen:
So wurde z.B. beim China-Antrag nicht bestritten, dass meine Aussagen richtig sind. Es wurde nur abgelehnt, weil China sonst nach ihrer Meinung (zu) positiv dargestellt wird.
Bei weiteren ging es darum, dass bestimmte Worte unterschiedlich verstanden wurden.
Bei einigen Änderungsvorschlägen mit Bezug auf das Erneuerungspapier, nicht nur von mir, sondern auch von der Regionalgruppe Bamberg, zeichnete sich in der Für- und Gegen-Rede eine mögliche Einigung ab. Aber es wurde nicht gesucht, diese zu formulieren, sondern nach Gegen- und Für-Rede wurde abgestimmt. Anschließend sagte mir ein Mitglied der Moderationsgruppe / Projektgruppe "Globalisierungskritik fortschreiben und für Attac wirksam machen", dass es besser gewesen wäre, wenn diese mögliche Einigung nicht verloren gehen würde.
Die Regionalgruppe Dortmund hatte einige Vorschläge eingereicht. Es war aber aus bestimmten Gründen keine Person aus Dortmund da. Als ich mich bereit erklärte, diese Vorschläge zu erklären, wurde ich sinngemäß gefragt, warum ich mich zum Trottel Dortmunds machen wollte. Als ich später nachgefragt habe, ob ich diese Frage beantworten soll, wurde dies verneint.
Ich könnte noch viel mehr Eindrücke schreiben. Aber ich hoffe, dass so verständlich wurde, warum ich einerseits deutliche Fortschritte sehe, andererseits mich aber auch bemühe, damit es weitere Fortschritte in gegenseitiger Wertschätzung und Konsenssuche gibt.